
Dr. Jochen Gleditsch
Ein Nachruf
*11. 05. 1928 – 14. 06. 2023
Wir trauern um „unseren Jochen“, wie ihn die älteren von uns nannten, die das Glück hatten, ihn kennenzulernen. Und das ist typisch für diesen Pionier und Visionär. Nur wenige Menschen haben die Akupunktur in einem solchen Maße bereichert wie er. Auf ihn geht die Mundakupunktur zurück, die Very-Point-Technik, die Entwicklung der Mikro-Aku-Punkt-Systeme, der Lymphbelt als zirkuläre Hals-Punktkette sowie die Handlinie V an der Handaußenkante des Os metacarpale V als Mikrosystem. Und nur wenige Menschen waren so bescheiden und verbindend wie er: Kein Mensch zu unerfahren oder unwissend, als dass er sich nicht auf Augenhöhe mit ihr/ihm unterhalten und bereitwillig weitergeholfen hätte. Denn Jochen Gleditsch war ein zutiefst spiritueller Mensch mit einem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen.
Nachdem er seine aktive Tätigkeit als Zahnarzt und Facharzt der HNO in München beendet hatte, zog es ihn nach Wien, um seinen Enkelkindern nahe zu sein. Und das hieß natürlich nicht auch Ende seiner Lehrtätigkeit. Er hatte über 20 Jahre an der Ludwig-Maximilians-Universität München Akupunkturkurse gegeben und für seine Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur sowie international unterrichtet. Jochen hörte nie auf, im Gespräch zu bleiben, Neues zu erfahren und sein Wissen weiterzugeben. So bereicherte er auch den Unterricht unserer Gesellschaft sowie unsere Kongresse. Und er besuchte einige unserer Jahreshauptversammlungen, natürlich neben seinem Freund Georg König sitzend, für dessen 80. Geburtstag er ein Gedicht verfasste.
Was ist sein Vermächtnis an uns? Jochens Devise in der Arbeit mit Menschen hieß „neugierig auf mein Gegenüber, wissensdurstig und vor allem offen für das Ungewohnte“ zu sein, so wie er durch einen Zufall die Zusammenhänge der Mundakupunktur entdeckte, noch bevor er die Akupunktur kennengelernt hatte: Als er für die Zahnbehandlung einem Patienten eine Anästhesie an einen Eckzahn gesetzt hatte, sagte der Patient eine Viertelstunde später verwundert, dass seine Kniebeschwerden verschwunden seien. Wissensdurstig forschte Jochen weiter, und so konnte sich die Mundakupunktur (im Sinne einer Neuraltherapie) etablieren. Sein Professor machte sich etwas lustig über ihn. „Dies war die Antwort, die mich aus der Schulmedizin herausgerufen hat. Ich habe erkannt, wenn die Schulmedizin das nicht glaubt, was ich wahrnehme, dann stimmt etwas nicht. Ich muss meine Augen selber offenhalten und das, was ich erlebe, ist für mich Realität.“ (DZA 2/2023, S. 69)
Wenn Sie mehr wissen möchten: Zu seinem 95. Geburtstag ehrte ihn die Deutsche Zeitschrift für Akupunktur mit einer Sondernummer (DZA 2/2023), die einen guten und vielgestaltigen Einblick in das Leben dieses wunderbaren Menschen gibt.
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der Ärzt:innen für Akupunktur